Kleine Landeskunde

Ich wohne hier bei meinen afrikanischen Freunden in einem Außenbezirk von Arusha. Wohngebiete werden hier nicht „entwickelt“, wie in Deutschland, sondern sie entwickeln sich von selbst. Grundstücke werden gekauft (bzw. für 99 Jahre gepachtet), Häuser und Läden werden gebaut, aber um die Straßen kümmert sich niemand. So werden aus Trampelpfaden staubige und rumplige Fahrtwege – mit meinem FIAT 500 käme ich hier keine Hundert Meter weit. Wenn man Glück mit seinen Nachbarn hat, gibt es gemeinsame Aktivitäten zum Erhalt der Fahrtwege, der Regenkanäle und im Kampf gegen den Müll, wobei ich finde, dass das Müllproblem in Kenia größer war als hier. Meine Freunde z.B. haben einen Vertrag mit der Müllabfuhr, die einmal wöchentlich alles abholt – an Mülltrennung hat hier allerdings noch niemand gedacht. Wasser gibt es aus dem eigenen Brunnen, bzw. wird für das Trinkwasser im Haus geliefert, das Abwasser versickert irgendwo im Boden.

In „unserem Dorf“ gibt es viele kleine Hütten und einige richtige Häuser, die abgeriegelt werden wir Fort Knox: 2,5 m hohe Mauern, große Eisentore mit schweren Schlössern und alles dekorativ mit Natodraht ummantelt. Ist niemand zu Hause werden die Hunde rausgelassen, leider ist fast immer jemand da und die armen Viecher sind einzeln in ihren Verschlägen eingesperrt. (Heute wurden sie mal 10 Minuten rausgelassen, damit ich sie sehen konnte – traurig) Außer dem Grundstück sehen sie in der Regel nichts. Es ist wie eine Zeitreise und erinnert mich an die Hof- und Kettenhunde die in Deutschland vor einiger Zeit noch ihren Dienst am Menschen ableisten mussten. Es sind keine Haus- oder Kuscheltiere und werden nur aus einem einzigen Grund gehalten – Schutz! Die Alternative wäre ein Wächter, der das Tor nachts bewacht, Erfahrungen zeigen aber, dass gerade die Wächter wertvolle Informationen an potentielle Einbrecher weitergeben.

Wer auch keinen Ausgang hat, sind die Kinder der Mittelschicht. Zu groß ist die Angst, dass die Kinder entführt, oder vergewaltigt werden. Vor allem zweites ist wohl ein großes Problem, vor allem in der direkten Nachbarschaft und der nahen Verwandtschaft und das obwohl die Strafen bei nachgewiesener Vergewaltigung mit 30 Jahren extrem hoch sind. So werden die Kinder zur Schule gefahren und abgeholt, einfach mal zu Freunden rübergehen geht nicht. Die Schulpflicht wird recht gut umgesetzt und bis zur 8. Klasse ist die Schule kostenlos, Arbeitsmaterial, Schuluniform und teilweise die Bücher müssen aber bezahlt werden. Da die Qualität des Unterrichts teilweise zu wünschen übrig lässt, sind viele Kinder der besser gestellten Tansanier in Privatschulen oder Internaten, bei meiner Familie sind die Kinder in der Nähe von Nairobi in einer internationalen Schule. Die kleine Raifah geht mit ihren 6 Jahren ab Februar ins Internat, immerhin hat sie dort eine ihrer Schwestern. Das „Landleben“ braucht ein bisschen Eingewöhnung, aber heute war die erste Nacht, in der ich nicht vom Hundegebell, den Hühnern oder dem Weckruf der Moschee aufgewacht bin.

Souvenirs standen heute noch mal auf meinem heutigen Programm. Der Massai Markt in Arusha ist eine feste Einrichtung mit überdachten kleinen Verkaufsständen. Es ist weitaus übersichtlicher und bei Weitem nicht so hektisch wie in Nairobi. Draußen sitzen die Frauen und fädeln mit einer Engelsgeduld die Perlen auf, ein schönes buntes Bild, wie sie handarbeitend vor ihren Waren sitzen. Mit dem kleinen Zayed auf dem Arm, war ich ein bisschen vor den Händlern geschützt, die sich nicht sofort auf mich „muzungu“ stürzten. Auch Fransisca hat bereits die Händler ihres Vertrauens gefunden, so dass die Preisverhandlungen auf ein Minimum beschränkt blieben. Ich weiß noch gar nicht, wie ich alles nach Hause kriege, zumal ich noch die ganzen Prospekte aus Kenia mitschleppe.

Wir waren noch schnell bei der Kinderärztin mit unserem kleinen Engel, haben noch eine Lodge besichtigt und uns dann auf das Mittagessen gefreut, dass die liebe Esther schon vorbereitet hat. Ich weiß gar nicht, wie ich meinen Alltag wieder meistern soll, nachdem ich hier nichts, aber wirklich nichts tun darf. Man kann sich da schon dran gewöhnen: „ich hätte gerne etwas frisches Obst, jetzt einen Kaffee…“ und alles erscheint wie auf wunderbare Weise und verschwindet auf dem selben Wege auch wieder. Womit ich nicht auf Dauer leben könnte ist das dunkle Haus. Mit all den Gardinen und Vorhängen kann man nirgends nach draußen sehen, wenn ich alleine frühstücke (Fransisca schläft länger, wegen der unruhigen Nächte und Esther ist beim Englisch) klemme ich heimlich die Vorhänge in die Fenstergitter, damit ich etwas Wind und Licht bekomme.

Heute Abend geht es zum indischen Lieblingsrestaurant meiner Gastgeber (Bericht folgt). Ich werde hier so verwöhnt und zum Essen genötigt, dass ich wohl als Kugel zurück komme und bis Weihnachten darben muss, um wieder n meine Klamotten reinzupassen.