My big, fat african family

Ein großer Unterschied zwischen uns sonnenhungrigen Deutschen und den Afrikanern ist folgender: während wir jede Möglichkeit nutzen im Freien zu sein, bleiben die Afrikaner wann immer möglich im Haus – wenn es denn groß und gemütlich ist. Frühstück gab es also in der Küche. Gegen 9:00 Uhr brachen Said, Hussein der Hausboy und ich zum Wocheneinkauf auf den Markt auf, wieder mal ein Erlebnis für die Sinne. Ein großes Wellblechdach auf einigen Stahlträgern, die Seiten mit diversen Folienresten „verkleidet“ (fliegen die schon mal nicht mehr in der Natur rum), fertig ist die Markthalle. Der vordere Teil des Marktes war Obst, Gemüse und Kräutern vorbehalten. Ein schönes Bild, die Marktfrauen in ihren bunten Kleidern, darüber ein bis zwei ebenfalls bunte Tücher als Schürze, die man wahlweise zum Polieren von Obst oder zum Nassputzen nutzen kann. Die Waren schön auf hohen Verkaufsständen angerichtet. Bei der Händlerin des Vertrauens wurde die Einkaufsliste samt Einkaufskorb abgegeben und weiter ging der Weg durch die engen Gänge. Der Bereich des Fischmarktes war überraschend angenehm, da der Fisch in den einzelnen butzenähnlichen Läden in Eisschränken lagerte. Etwas schwieriger war da schon die Fleischabteilung. Auch hier wurde zielstrebig ein Verkaufsraum angesteuert. In dem Verschlag (mit immerhin gemauerten Wänden) hingen riesige Fleischbatzen, teils undefinierbar und mangels Kühlung (ein Hoch nochmals auf die Fischabteilung!) äußerst aromatisch, man hätte sämtliche Raubkatzen der Serengeti damit anlocken können. Unser Fleischstück, offensichtlich ein großer Teil eines Rinderbeines wurde mithilfe von Axt und Machete, auf einer alten Pappe als Unterlage, zerlegt – filetiert wird hier nix. Ich identifizierte noch diverse Innereien, die ohne Unterlage auf dem Fliesentresen zerlegt wurden, erfuhr von Said, dass der unförmige schwarzgraue Lappen am Haken wohl der Magen sei, nahm noch einige tiefe Nasenzüge und ging dann raus (in die Nähe vom Korianderverkäufer – roch besser). Ich dachte ein bisschen über Vegetarismus nach und zog dann mit meinen beiden Männern weiter. Zurück in der Gemüsewelt wurden für mich ein paar frische Mangos rausgesucht und dann ging´s wieder zur Verkäuferin des Vertrauens, die in der Zwischenzeit den Korb reichlich gefüllt hatte. Das ein oder andere wurde noch mal getauscht und ergänzt, dann ging es an die Rechnung. Im Gegensatz zu Severine hatte Said natürlich schon ein Einkaufslevel erreicht, bei dem Handeln nicht mehr nötig ist. Das allgegenwärtige Mobiltelefon wurde gezückt, um die Beträge zu addieren und der arme Hussein musste dreimal zum Auto laufen, um die Einkäufe zu verladen.

Weiter ging´s zur Wechselstube, über 300.000 tansanische Schillinge bekam ich für 150 USD, ein richtiger Batzen Geld, da fühlt man sich richtig reich. Der nächste Stopp war der Supermarkt und ich konnte das Sortiment sondieren. Fast alles Importware, Tansania hat laut Said keine Verpackungsindustrie, Lebensmittel werden exportiert und als Konserven wieder importiert, da ist noch ein langer Weg zu einer gut funktionierenden Marktwirtschaft. Nächste Station war Saids Elternhaus, seine Mama, die ich schon vom letzten Besuch kannte, umarmte mich herzlich, Papa hieß mich in seiner Familie willkommen, Schwester und Kinder begrüßten mich. So unverhofft ich ankam, so schnell war ich wieder draußen und wir fuhren zu siebt zurück nach „Hause“. Die Familie hatte viel Spaß daran mich Muzungu zwischen den Afrikanern eingeklemmt zu sehen – Hussein und ich wurden richtig enge Freunde.

Zu Hause packten alle mit an und belagerten den kleinen Garten und die Küche, weitere Freunde und Familienmitglieder kamen und gingen und die Suaheli Gespräche überforderten mich ziemlich.

Hussein baute für den Muzungu einen Gartenstuhl zusammen und ich saß dann in dem bunten Treiben und habe meine Berichte für Euch geschrieben. Fransiscas sechsjährige Tochter Raifa hat mich allerdings ziemlich in Beschlag genommen und auch Raidah, die neunjährige fand es lustiger ihre Buchstabenrätsel mit mir zu machen. Neben mir wurde das Gemüse gründlichst in großen Bottichen gewaschen, daneben die Wäsche eingeweicht, Wasch- und Spülmaschine gibt es nicht. Dafür aber neben Hussein noch ein Mädchen namens Esther. Beide, Hussein und Esther leben mit im Haus und werden wie Familienmitglieder behandelt. Im Gegensatz zu Kenia, wo Englisch 2. Amtssprache ist, können viele Tansanier, die nur die Grundschule bis Klasse 8 besucht haben, kein Englisch. Esther und Hussein bekommen jetzt Englischunterricht finanziert, Hussein konnte zusätzlich noch den Führerschein machen.

Gegen 16 Uhr hatte die Großfamilie das Essen fertig. Pilaw (ein Reisgericht mit Brühe und Fleisch) Kochbananen, Kohl-Karottensalat (gab´s gefühlt jeden Tag), Spinat (gab´s gefühlt jeden 2. Tag) und Avocado. Das Fleisch in dem Pilaw war leider genauso undefinierbar wie im „Laden“, da die Stücke aber groß waren, konnte man sie leicht aussortieren. Jeder bedient sich selbst in den Töpfen und setzt sich irgendwo hin, Küchentisch oder Sofa, gegessen wird einhändig mit Löffel oder Fingern – praktisch, hat man noch eine Hand frei fürs Handy. Lustige Kultur, unsere Kinder würden es lieben, genauso wie die Tatsache, dass die Schuhe beim Betreten des Hauses beim letzten Schritt einfach fallengelassen werden, wie bei unseren Kindern natürlich direkt im Eingang.

Nach dem Essen waren wir noch kurz bei Fransiscas Schwester und dann entzog ich mich dem Trubel, mittlerweile hatte die Besetzung auf dem Sofa auch wieder gewechselt, und legte mich auf die Hängematte zwischen zwei Palmen. Die Kinder wuselten um mich herum und ich döste vor mich hin. Um 18:30 Uhr, es war bereits dunkel, verschwand auch der letzte Gast, meine beiden Mädchen hatten keine Spielkameraden mehr und ich hatte wieder Kinderstunde. Alle Fotos auf meinem Laptop wurden angeschaut, gab es doch so komische Sachen zu sehen, Schneemänner, Weihnachtsbäume, Festival of Lights in Berlin, verschneite Landschaften…

Gegen 22 Uhr habe ich dann meinen Dienst dran gegeben, liege auf dem Bett, schreibe Euch und mache jetzt das Licht aus.

Tutaonana – bis bald