30.05.2019 Arusha – Alltag im Ramadan

Der Feiertag Himmelfahrt ist in Tansania gänzlich unbekannt. Ist Jesus nicht Ostern in den Himmel aufgefahren? Selbst Fransisca christliche Schwester Bona konnte mit dem Tag nichts anfangen. Also wurde gearbeitet!

Der Ramadan bestimmt hier das Leben und alles erscheint noch etwas langsamer als sonst. Die Eltern von Said (Fransiscas Mann) sind zum Ramadan eingezogen und sind tagsüber außerhalb des Hauses kaum zu sehen. Oma kümmert sich um den kleinen Zaem, der leider auch das Tageslicht nicht zu sehen kriegt. Sein größerer Bruder Zayed (3 Jahre) besucht den privaten Kindergarten, der gerade mal 200 Meter entfernt liegt.

Zum Mittag war ich mit Bona im nahe gelegenen und bei den in Arusha lebenden Ausländern äußerst beliebten Supermarkt Foodlovers. Leider darf man nicht fotografieren, aber auf Facebook bekommt man einen Eindruck: https://web.facebook.com/Foodlovers-Arusha-121412588642447/

Wunderbares Obst und Gemüse, sowie frische Kräuter und Brot werden wunderschön präsentiert. Man bekommt frische Smoothies mit Maracuja, Mango, Ananas…, dazu haben wir uns einen Mango- / Hähnchensalat ausgesucht. Köstlich! In der alkoholischen Abteilung gibt es tolle südafrikanische Weine – und auch ein paar tansanische, sowie diverse Whiskeys, Baileys und Jägermeister. Von Babywindeln, über Waschpulver, Zahnbürsten und Konserven, Fleisch und Fisch gibt es alles was das Herz begehrt. Und das zu erfreulich günstigen Preisen. Für ein Sonnenblumenkernbrot (leider genau so weich wie jedes andere Brot hier), 2 Salate und einen Smoothie habe ich umgerechnet € 6,40 bezahlt.

Zurück im Büro war die Schwägerin mit einer Freundin zu Besuch und hatte auch noch mal Essen mitgebracht – arme Fransisca, sie hat tapfer weiter gefastet. Es gab gegrilltes Rind mit Pili Pili Sauce und eine Art Tortilla – Kartoffeln mit Ei gebacken. Auch sehr lecker, aber ich war mit meinem Salat satt.

Nachmittags hatte ich mit unserem Fahrer John eine erste Probefahrt mit dem Jeep. Ich habe mir vorgestellt, dass diese großen Autos schwer zu fahren sind, aber die Schaltung ist super weich und die Servolenkung bringt die große Kiste easy „um die Ecke“. Lediglich die Dimensionen des Autos, die schlechte Übersicht und natürlich der Linksverkehr machen mir etwas zu schaffen.

Das Abendessen lief nach dem gleichen Muster wie gestern ab. Alles stand auf dem Fußboden als ich zum Essen gebeten wurde. Typisch deutsch, kommt man dann in der Erwartung, dass es dann auch gleich losgeht. Alle wuselten herum, nein! Ich kann nicht helfen und man schaut dem Treiben zu. Ich solle mich doch bitte schon setzen, immerhin saßen die beiden Jungs auch schon da. Dann sind alle Erwachsenen wieder verschwunden und ich sitze da etwas verloren. Opa ist der erste der wieder kommt und fragt, warum ich noch nichts gegessen habe. Ich erklärte, dass wir in Deutschland eigentlich alle gemeinsam essen, fand er wohl komisch und knallte sich den Teller voll. Nach und nach kamen auch alle anderen, Oma, Fransisca, Said, Rashid der sich um den Garten und die Hunde kümmert, und die beiden „Hausmädchen“, die sich eigentlich um alles im Haus kümmern – Kinder, Wäsche, putzen, Küche aufräumen und spülen. Lediglich das Kochen übernehmen zum Teil Fransisca und Said.

Wieder wurde ich gefragt, warum ich denn nicht esse, wieder erklärte ich, dass ich es so kenne, dass alle gemeinsam essen und ich etwas verwundert bin, dass alle immer gehen, wenn das Essen bereit steht. Es ist Ramadan – wir müssen doch vor dem Essen beten! Morgen komme ich eine halbe Stunde später!

Das Essen war wieder reichlich: Eintopf mit vorher gegrilltem Ziegenfleisch, Bohnen, aus Linsenteig gebackene, krapfenähnliche Teile, Salat mit Apfel und Orange, Reis, ein Yams/Kartoffelbrei, tansanische Nudeln, Datteln und Samosas. Boah! Ich glaube, wenn ich soviel wie die anderen essen würde, müsste ich auch die nächsten 20 Stunden fasten;-)

Die Männer sind noch in die Moschee gegangen, Fransisca hat mir den Bewegungsablauf beim Beten „vorgeturnt“ – erinnert ein bisschen an den Yoga Sonnengruß (in sehr abgespeckter Form) und Oma hat die Position gewechselt und saß wieder (wie den ganzen Tag) vor dem riesigen Fernseher, der den ganzen Tag mit Kinderprogramm läuft. Parallel dazu schaute Zayed auf dem Handy die Teletubbies – auf italienisch! Willkommen in der globalisierten Welt!

Fransisca und ich hatten endlich mal Zeit uns in Ruhe zu unterhalten – wie soll es mit der Firma weitergehen, wie managt man die Doppelbelastung Mutter, Haushalt, Ehefrau und Selbständigkeit, die Rolle von Mann und Frau in unseren beiden Gesellschaften usw. Auch wenn bei den wohlhabenderen Familien in Afrika einem der Großteil der Arbeiten abgenommen wird, heißt das nicht, dass man sich dann gemütlich zurücklehnen kann. Eigenverantwortliches Arbeiten ist hier nicht so verbreitet. Man muss immer hinterher sein und genaue Anweisungen geben – sonst läuft der Laden nicht. Diese Woche z.B. bekommen die Hausmädchen Putzunterricht. Das neue und moderne Haus im europäisch-arabischen Stil braucht eine andere Pflege, als eine kleine afrikanische Hütte. Hier ist es mit durchfegen nicht getan und dass man vielleicht auch mal die Möbel verrücken muss um drunter oder dahinter sauber zu machen erklärt sich nicht von selbst. Eine „Big Mama“ beobachtet also mit Argusaugen, was die Mädels so treiben – das alles im Zeitlupentempo – herrlich!

Die afrikanischen Familien sind groß und es gibt viel zu erzählen. Über Said, dessen Vater kaum gearbeitet hat und den Sohn nicht zur Schule schicken wollte. Über seine Mutter, die es durch ihre Arbeit doch ermöglicht hat, dass Said eine gute Ausbildung bekam und sogar ein Haus finanziert hat. Über den Bruder der dem Alkohol zugetan ist und immer um Essen für seine Kinder bettelt. Ihm wurde jetzt von Fransisca und Said ein kleiner Laden finanziert, mit dem er seinen Lebensunterhalt bestreiten soll anstatt zu betteln. Über die Schwester von Fransisca, der sie eine Maschine gekauft hat, mit der sie nun 50 statt 10 Pullover der Schuluniformen herstellen kann, über die andere Schwester, der sie bei Nature Responsible Safari einen Bürojob gegeben hat und dadurch ihrem Leben die so wichtige Struktur verpasst hat. Die Schwester von Said, die an Aids gestorben ist und einen 4jährigen und eine 13jährige mit Baby (aus einer Vergewaltigung) hinterlassen hat. Als niemand aus der Verwandtschaft sich um das Mädchen kümmern wollte, kam sie kurzerhand ebenfalls zu Fransisca und Said. Sie geht jetzt in Moshi auf eine Internatsschule und ist glücklich, endlich jemanden gefunden zu haben, der sich um sie kümmert. Über die Grundstücke, die sie gekauft haben und auf die Namen ihrer 3 Töchter eingetragen haben, sodass die Mädchen eine finanzielle Sicherheit haben, falls den Eltern mal was passiert. Über eine Verwandte, die nach dem Tod des Ehemannes vor dem Nichts stand – nach dem Tod kam die Familie des Mannes und hat alles an Besitz mitgenommen und das Haus zerstört, als Familienfremde sollte sie nicht profitieren. Alles Geschichten, wie es sie 1000fach gibt und doch zeigt es, dass es Hoffnung gibt, wenn jemand eine gute Ausbildung bekommt und fleißig ist.

Ich freue mich, dass ich einen Beitrag leisten kann und durch meine Arbeit auch das Leben von so einigen hier positiv beeinflussen kann.

Das Wetter ist übrigens recht kühl, ich freue mich den dünnen Kashmirpullover eingepackt zu haben. Es ist größtenteils bewölkt, aber regnet nicht und zum Abend zeigt sich der mächtige Mount Meru wolkenlos in der Abendsonne.