Vom Barafu Camp (4673 Meter) über den Stella Point (5756 Meter) zum Kibo / Uhuru Peak (5895 Meter) und wieder runter zum Mweka Camp (3100 Meter).
Wecken um 23 Uhr – nicht unbedingt meine Zeit. Wie gut, dass ich vor dem Schlafen alles zurechtgelegt und gepackt hatte, ich hätte sonst bestimmt was vergessen;-)
Unser kurzes Frühstück gab es heute nicht in der Sonne, sondern in unserem kleinen, privaten Essenszelt. (Irgendwie hatten sie vergessen die Heizung einzuschalten;-). Kaffee, unser Ingwertee und Porridge stand als „Henkersmahlzeit“ bereit. Ich war wirklich dick angemummelt – mehrere Lagen Merino + Strick- + dünne Daunen- + Skijacke von meinem Sohn. Diese und seine alte Skihose, die mich auch gut wärmte wurden später an 2 Porter verschenkt. Wir fühlten uns wirklich wie Michelin Männchen und waren etwas unsicher, ob wir nicht zu viel oder zu wenig anhatten. Ich habe auf die Aussagen unserer Guides vertraut und lag goldrichtig mit meinem Outfit.
Ich habe weder geschwitzt noch gefroren. Auch meine Bergschuhe (LA SPORTIVA-Women’s Aequilibrium ST GTX – Bergschuhe) waren mit dicken Merinosocken perfekt und ausreichend warm. Mit den Schuhen war ich übrigens mega glücklich. Super bequem, kaum geschwitzt und nicht gefroren, keine Blasen, keine Druckstellen. Gut investiertes Geld!
Mitternacht ging´s los. Unter uns die Lichter von Moshi und über uns die Sterne und einige bewegliche Lichter. Die Frühaufsteher und die aus den höher gelegenen Zelten waren schon unterwegs und die Helmlampen zogen wie kleine Glühwürmchen den Hang hinauf. Langsam, langsam – Pole Pole ging es in kleinen Schritten und Serpentinen den Hang hinauf. Puh, ganz schön anstrengend. Aber nach einer gewissen Zeit kam ich wieder in meinen Flow –Ablenkung durch die Natur fiel aufgrund der Dunkelheit aus, und der Blick war starr auf die Füße meines Vordermanns oder -frau gerichtet. Ein Schritt nach dem anderen, nicht nachdenken, nicht hadern, einfach laufen und atmen.
Ab und an überholten wir andere Bergsteiger, öfters aber wurden wir von „Gipfelstürmern“ überholt. Wir waren zu sechst unterwegs, für jeden Touristen ein Begleiter, falls man sich trennen muss. Die anderen Porter durften in ihren Zelten schlafen und mein treuer „persönlicher“ Träger Mc Pherson bewachte mein Zelt und schlummerte dort.
Leider bekam Andy Probleme und musste nach einiger Zeit umkehren. Wie vorher besprochen gingen Nancy und ich weiter, während Andy mit Amnai, unserem Assistance Guide zurück ins Barafu Camp lief. Wieder dauerte es einige Zeit, bis wir nach der ungeplanten Pause zu unserem Rhythmus zurückfanden. Ein kleiner Schritt nach dem anderen. Nichts denken, nur gucken wo die Füße hin müssen.
In unserem Lampenschein sahen wir auf dieser Etappe einiges an Müll. Klopapier kann ich ja noch nachvollziehen – was raus muss, muss raus und das Papier verrottet ja auch mit der Zeit. Aber die leeren Trinkpäckchen, Bonbonpapiere, Verpackungen von Müsli Riegeln und, und, und bleiben für die Ewigkeit, wenn sie nicht der Wind, der Regen oder die Ranger mitnehmen, die regelmäßig zum Müllsammeln hoch müssen.
Auch auf den vorherigen Etappen haben wir uns, gerade über die teils vielen Bonbonpapiere geärgert, aber das war kein Vergleich zum letzten Anstieg. Die Finger erfrieren nicht, wenn man die Handschuhe mal auszieht und seinen Müll zurück in die Tasche steckt!!!
Ich hatte im Kopf, dass es erst steil hoch geht, dann flacher wird und dann wieder steiler – aber das mit dem flach war wohl ein Wunschtraum. Immer wieder ging mein Blick zu den kleinen Lichtern über uns. „So weit hoch muss ich noch???“ „No“ sagte Davis „that´s a star;-)“. Irgendwie sah ich aber wohl etwas fertig aus und mir wurde mein Rucksack abgenommen. Mir fehlte offensichtlich doch ein bisschen bergauf Training, Nancy wirkte wie in ihrem Element. Ist halt ein Unterschied, ob man im schönen Bayern oder im trendigen Berlin wohnt – bei uns ist einfach kein Berg zu finden…
Weiter ging´s: ein kleiner Schritt nach dem anderen, wo sind die Schuhe von Davis? Hinterher, nicht denken, nur kleine Schritte.
Es fühlte sich gar nicht so lange an, als es plötzlich bunt am Himmel wurde. Um fünf Uhr schickte die Sonne das erste Licht und was für Farben wurden uns gezeigt. Zum Heulen schön. Wir waren echt geflasht und überwältigt.
Plötzlich war der Mawenzi unter uns und wir sahen, was wir schon geschafft hatten. Endlich sahen wir auch, wie weit es nach oben noch ist. Ok, kein Katzensprung, aber das Licht gab uns neue Energie. Das faszinierende Farbspiel des Sonnenaufgangs begleitete uns eine Stunde in der wir uns bis zum Stella Point auf 5756 Metern hoch „arbeiteten“. Pole Pole mit kleinen Schritten. Ankunft 06:20 Uhr.
Vom Stella Point blickt man sowohl nach Süden in Richtung Moshi (jetzt unter den Wolken) über den Mawenzi und auf der anderen Seite in den Krater, dahinter eines der letzten Eisfelder und weiter bis auf den Uhuru Peak, die höchste Stelle des Kibos. Jetzt wurden wirklich ein paar Tränchen gequetscht, so ein Gipfelschild ist schon ein Signal: Du hast richtig was geschafft.
Ein paar Fotos mussten natürlich sein und dann gab es heißen Ingwertee. Tat das gut! Hunger hatten wir keinen, aber der Tee war hier oben in der Sonne ein Traum. Nach ca. 15 Minuten ging es weiter.
Die letzten 139 Höhenmeter zogen sich auch wieder, es war zwar nicht steil, aber die Luft war schon dünn. Die Stimmung war natürlich toll, einige kamen schon vom Gipfel zurück, man beglückwünschte sich gegenseitig, blieb mal kurz stehen zum Quatschen, aber die „Absteiger“ wurden immer weiter gescheucht.
Die Teams sind bemüht die Wanderer schnell wieder in tiefere Gefilde zu bringen, die Höhe ist für den Körper sehr belastend und wir haben an den vorherigen Tagen und auch heute Wanderer gesehen, denen es gar nicht gut ging und sogar eine junge Frau, die getragen werden musste.
Zeit für Fotos blieb uns beim Aufstieg aber noch. Die Eisfelder, von unten sehr klein, wirken hier oben ganz anders, ziemlich kompakt. Aber es ist natürlich eine Illusion – kompakt ist hier gar nichts mehr und in einigen Jahren werden auch die letzten weißen Stellen verschwunden sein und es gibt nur noch die temporäre weiße Haube nach den Schneefällen.
Ohne Schnee wirkt der Kibo wie eine Mondlandschaft aus Stein und Sand mit weißen Flecken. Nach weiteren 45 Minuten erreichten wir dann auch Uhuru Peak!
Wahnsinn! Wir beiden Mädels haben es auf 5.895 Meter hoch geschafft und der afrikanische Kontinent lag uns zu Füßen.
Freude, Glück, Dankbarkeit, Demut, Stolz und auch ein bisschen Wehmut. Die Gefühle schossen alle durcheinander. Wenn mir das jemand vor einem Jahr gesagt hätte…
Ein großer Dank an unser Team von Nyange Adventures: Praise, Davis, Amnai und all die anderen aus dem Team – Ihr macht das wirklich großartig und Ihr liebt was Ihr tut.